Klassen, Klassifikationen Klassifizierungen | Sektionenkonferenz der Deutschen Gesellschaft für Soziologie | Universität Osnabrück | 23.-25.09.2024
Call for Papers zum Panel
To classify is human? Klassifikationssysteme und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen
„To classify is human“ – so eine zentrale Aussage von Geoffrey Bowker und Susan Leigh Star in ihrem Buch „SorPng Things Out“ (1999). Sie verdeutlichen damit, dass wir Klassifikations-systeme benötigen, die es uns ermöglichen, die Welt um uns herum zu sortieren und dadurch mit Bedeutung zu versehen. Mit dem Titel ihres Buches weisen sie jedoch auch darauf hin, dass Klassifikationssystemen niemals allumfassend sein können, was immer auch bedeutet, dass bestimmte Aspekte, Eigenschaften oder Praktiken nicht berücksichtigt werden und damit der Aufmerksamkeit entgleiten oder auch ganz bewusst „vergessen“ bzw. ignoriert werden.
Die Erstellung und Nutzung von Klassifikationssystemen findet sich an ganz unterschiedlichen Orten: Einerseits sind sie zentraler Bestandteil unseres Alltags, in dem wir permanent sortieren, Unterscheidungen treffen und dadurch die Welt sinnhaft deuten – ohne dass wir uns dieser Klassifikationen notwendigerweise bewusst sein müssen (Bourdieu 1979; Lamont 2000, Hirschhauer 2023). Klassifikationssysteme können aber auch konkret definiert werden. So werden in der Wissenschaft Klassifikationssysteme als Form der Systematisierung und Darstellung von Wissen verwendet. Zudem entwickelt die Wissenschaft Klassifikationen für eigene (statistische) Erhebungen. Statistische Klassifikationssysteme werden aber auch von staatlichen Bürokratien und internationalen Organisationen genutzt, um Wissen über Personengruppen bis hin zu ganzen Staaten zu generieren und darauf politische Entscheidungen zu gründen (Foucault 1966; Hacking 1982; Desrosières 2005; Heintz 2012). Nicht zuletzt erfahren Klassifikationssysteme eine zunehmende Bedeutung als zentraler Bestandteil digitaler Infrastrukturen, die von öffentlichen Verwaltungen bis zu privaten Wirtschaftsunternehmen eingesetzt werden, um für ganz unterschiedliche Zwecke Daten zu generieren und auszuwerten und auf dieser Grundlage Objekte, Personen und Organisationen zu klassifizieren (Van Dijck et al. 2018; Zuboff 2019; Fourcade 2022). Dies gilt auch für die Plattformen des kommunikations- und konsumorientierten Internets, auf denen über Ratings und Rankings kontinuierlich Klassifikationen als vertrauensstiftende Orientierungsgrundlage für den dortigen Austausch generiert werden (Kornberger et al. 2017; Dolata und Schrape 2022).
Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung in nahezu sämtlichen Lebensbereichen erfolgt die Erstellung von Klassifikationssystemen und darin eingeordneten Kategorien zudem nicht mehr notwendigerweise nur durch menschliche Expertise. In immer weiteren Fällen ersetzen Verfahren der automatisierten Mustererkennung die menschliche Bestimmung und Bewertung von Ähnlichkeiten, wobei auch die entsprechenden Kategorien nicht mehr zwangsläufig durch Menschen vorgegeben, sondern durch Technik ermittelt werden. Ist „to classify“ also tatsächlich weiterhin allein „human“?
Ziel des Panels ist es, die unterschiedlichen Stränge der soziologischen Forschung zu Klassifikationssystemen zusammenzubringen, um darauf aufbauend sowohl historische als auch aktuelle Entwicklungen in den Blick zu nehmen, die Rolle von Klassifikationssystemen in der Konstruktion von „Wirklichkeit“ zu diskutieren sowie mögliche Veränderungen in ihrer Herstellung, ihrem Einsatz und den daraus resultierenden Konsequenzen in den Blick zu nehmen.
Das Panel wird organisiert von Oliver Berli (Ludwigsburg), Anne K. Krüger (Berlin), Jan Felix-Schrape (Stuttgart) und Cornelius Schubert (Dortmund). Beitragsvorschläge im Umfang von max. einer Seite können bis zum 15.3.2024 gerichtet werden an: Anne K. Krüger (anne.krueger@weizenbaum-institut.de) Die Rückmeldung über die Auswahl/Annahme der Beiträge erfolgt bis zum April 2024.
Den vollständigen Call als mit allen Literaturangaben finden Sie hier.