Call for Papers: “Diverse Körperlichkeit(en) von Sensormedien. Situierung, Differenzierung, Standardisierung”, Herbsttagung der DGS Sektion Soziologie des Körpers und des Sports (in Koop. mit dem SFB-1187 “Medien der Kooperation”), Universität Siegen, 09.-10.11.2023, Deadline: 29.09.2023

Call for Papers
Diverse Körperlichkeit(en) von Sensormedien
Situierung, Differenzierung, Standardisierung
Herbsttagung
der DGS Sektion Soziologie des Körpers und des Sports
(in Kooperation mit dem SFB-1187 „Medien der Kooperation“)
Universität Siegen, 09. – 10.11.2023

Körperliche Wahrnehmungen, Praktiken und Handlungen werden zunehmend durch Technologien und digitale Medien vermittelt und in besonderer Weise durch diese (mit-) hervorgebracht. Viele Untersuchungen, die im Zuge der Digitalisierungs- und Mediatisierungsschübe der vergangenen Jahrzehnte und Jahre (pandemiebedingte Formen der digitalen Kommunikation, KI-Systeme als Teil von Entscheidungsprozessen, Chat GPT, neue Sensormedien, datenintensive Umwelten und digitale Infrastrukturen im urbanen oder architektonisch gestalteten Raum, etc.) entstanden sind, zeigten auf, wie Medien, Applikationen oder Hoch-Technologien auf verschiedene Sinne(smodalitäten) einwirken und infolgedessen Körperlichkeit(en) verändern, neujustieren oder auch irritieren. Dabei wird vielfach deutlich, dass bereits ohnehin marginalisierte Personengruppen und ihre Interaktions- und Wissensformen im Alltag durch die Produktion und Handhabung von neuen Digitaltechnologien nicht nur gestärkt, sondern in der Tendenz weiterhin – und z.T. auf neue Weise – ausgehend von ihrer Körperlichkeit ausgegrenzt, stigmatisiert und diskriminiert werden. „Diverse Körperlichkeit(en)“ soll(en) in diesem Zusammenhang auf der Herbsttagung als eine gemeinsame, möglichst weite Heuristik für körpersoziologische Perspektiven dienen, die die mithin digitale und technisch induzierte Konstruktion von körperlichen Differenzen und Diversität im Zusammenhang mit historischen und neu entstehenden sozialen Ungleichheiten, Vulnerabilitäten und Exklusionsmechanismen fassen können.

Ein aufschlussreicher Gegenstand für die Erforschung der gegenwärtigen Wechselwirkungen von diversen Körperlichkeiten und digitalen Medien bildet die Schnittstelle verkörperter Sensormedien. Darunter lassen sich zunächst all jene Medien und Technologien fassen, die körperliche Sinne in ihrer Wirk- und Wahrnehmungsqualität erweitern, vermitteln oder konstituieren. Dabei stellt sich die übergreifende Frage, wie Sensormedien diverse Körperlichkeiten herausfordern, wenn Körper z.T. ermächtigt, aber auch mit neuen – häufig nicht-intendierten – Vulnerabilitäten, Effekten, Reibungen, Problemen und Folgen konfrontiert oder gänzlich exkludiert werden. Klärungsbedürftig ist in dem Zusammenhang nicht nur, wie sich Sensormedien in Körper einschreiben und wie sie alltäglich verkörpert werden, sondern bereits vorgeschaltet, welche z.T. standardisierten Körpervorstellungen und Körpertechniken, bzw. Praktiken und spezifische Wissensformen in Sensormedien inskribiert sind. Im situierten und multisensorischen Zusammenspiel von dem, was gesehen, getastet, geschmeckt, gehört oder in der Bewegung erfahren werden kann, stellen sich somit die Fragen, wie sowohl Körper als auch Sensormedien in Praktiken, Handlungen und Interaktionen hervorgebracht werden und wie Wahrnehmungen durch Technologien, Erfahrung und Wissen vermittelt und sozial konstituiert werden.

Diskutieren möchten wir folglich Fragestellungen nach der (sozialen) Wahrnehmung und alltäglichen praktischen Verkörperung von in Körpern, Alltagsgegenständen, Technologien und urbanen Infrastrukturen oder Architekturen verbauten Sensoren. Ein Zugang zu Sensormedien lässt sich aus einer körpersoziologischen Perspektive – auch im Anschluss an Phänomenologie, (Feminist) STS, Sozial- und Kulturanthropologie, Human Computer Design oder Critical Data Studies – fruchtbar an die immer noch aktuellen Diskussionen um die Bedeutung der sozialen, kulturellen und materiellen Dimension von Sinnlichkeit anschließen. Diskussionen, die mit Perspektiven auf Einzel-Sinne und deren Hierarchisierung brechen und mit Multisensorialität das komplexe, historische und soziale Zusammenspiel zum Gegenstand machen. Einen weiteren Zugang bilden aktuelle Debatten um soziale Diskriminierung – wie sie bspw. auch in sozialen Bewegungen, wie LGBTIQ+, PoC oder Crip-Movement virulent werden – sowie situierte und intersektionale Perspektiven, die u. a. darauf abzielen, körperliche Differenzen und damit einhergehende Differenzierungsprozesse theoretisch wie empirisch fassen zu können. Entsprechend laden wir besonders dazu ein an diverse, queere, anti-rassistische oder crip-genealogische sowie klassistische Perspektiven und Ansätze anzuschließen und diese mit Blick auf Sensormedien im körpersoziologischen Kontext weiterzudenken.

Die Tagung widmet sich dem Alltag von und mit Sensormedien und deren sinnlichen und körperlichen Intimität unter den Vorzeichen sozialer Differenz und Diversität und fragt danach, wie digital gestützte Multisensorialitäten das Soziale formen. Mit dem Untertitel „Situierung, Differenzierung, Standardisierung“, schlagen wir drei heuristische bzw. analytische Perspektiven vor, die sich z. T. überschneiden und in den folgenden Fragen exemplarisch widerspiegeln:

  • Situierung. Inwiefern können Sensormedien die sinnliche Wahrnehmung rekonfiguieren? Wie ist das Zusammenspiel von menschlichem Sensorium und technologischen Sensoren in sozialen Situationen, d.h. in Praktiken, Interaktions- und Wissensformen situiert? Welche alltäglichen Situierungen fordern diverse Körperlichkeiten angesichts zunehmender sozialer Ungleichheiten, Exklusionsmechanismen und marginalisierter Wissensformen heraus? Und inwiefern werden diese auch im Forschungsprozess relevant und reflektiert?
  • Differenzierung. Welche Körperlichkeiten geraten über soziale Differenzen und Differenzierungsprozesse in den Blick? Wie sind diese ausschlaggebend für die Konstruktion von (marginalisiertem) Wissen, bzw. Praxis- und Interaktionsformen, die z.T. außerhalb des Radius von Sensormedien liegen? Welche neuen Vulnerabilitäten, Diskriminierungen und Verantwortlichkeiten entstehen durch sinnliche Sensorbeziehungen?
  • Standardisierung. Wie und inwiefern inskribieren sich standardisiertes Körperwissen, Körpertechniken und Praktiken im Design und in gebauten Infrastrukturen von Sensormedien? Welche Körper werden exkludiert? Welche Standardisierungen zeigen sich in der Interaktion/Intraaktion mit Sensormedien und deren Umwelten? Wie wird marginalisiertes Wissen in die Standardisierung von Abläufen und Routinen, die durch Sensormedien gestützt werden, übersetzt? Wie ist der Zusammenhang zwischen sozialen Praktiken der Gestaltung, Nutzung und Formen der Standardisierung neu zu denken?

Wir ersuchen Vorschläge für Beiträge im Umfang von ca. 300 Wörtern, die bis zum 29.09.2023 einzureichen sind bei dem Vorstandsteam der Sektion (E-Mails: hanna.goebel(at)hcu-hamburg.de; clemens.eisenmann(at)uni-konstanz.de; ajit.singh(at)uni-bielefeld.de; wiedemal(at)hsu-hh.de)

Weitere Informationen sowie den Call als pdf finden Sie hier.