Klassen, Klassifikationen Klassifizierungen | Sektionenkonferenz der Deutschen Gesellschaft für Soziologie | Universität Osnabrück | 23.-25.09.2024
Call for Papers zum Panel
Von Auszeichnungen und Preisen bis Evaluationen und Rankings – Bewertungsformate und -kriterien als Zugang zu gesellschaftlichem Wandel
Die Auseinandersetzung mit dem, was gesellschaIlich als wertvoll oder aber als wertlos gilt, gehört zu den Grundinteressen der Soziologie. Bereits Émile Durkheim (1912) hat sich mit der Unterscheidung und Bewertung von Dingen in „heilig“ oder „profan“ beschäftigt, um dadurch Erkenntnisse über die Struktur sozialer Ordnung zu generieren. Dieses Wechselverhältnis von gesellschaftlicher Ordnung und einer Ordnung des Wertvollen findet sich auch in den Arbeiten von Pierre Bourdieu zu sozialen Unterschieden und kulturellen Unterscheidungen (bspw. 1987), in denen er dem Nexus von Klassifikationen und Bewertungen einen hohen analytischen Stellenwert zugeschrieben. Auch in den Arbeiten Michel Foucaults spielt die Untersuchung von Klassifikationssystemen als zentralem Ausdruck gesellschaIlicher Wertordnungen eine wesentliche Rolle (bspw.1966). Die Konventionentheorie hat auf die Verbindung von statistischen Klassifikationen und sozialen Wertordnungen hingewiesen (Diaz-Bone und Didier 2016). Arbeiten aus der Wirtschaftssoziologie verdeutlichen, wie monetäre Preise durch die Einordnung von Objekten in Klassifikationssysteme zustande kommen (Beckert und Asper 2011). Und in der Wissenschafts- und Technikforschung liegt ein besonderer Fokus darauf, wie durch die Einschreibung von Klassifikationssystemen in Technik bewertet wird, welche Arbeiten als relevant mitaufgenommen oder aber als unwichtig vernachlässigt werden (Bowker und Star 1999). Die hier genannten Ansätze haben gemeinsam, dass sie einerseits sensibel sind für die Verschränkungen von Klassifikationen und Bewertungen und andererseits über den soziologischen Blick auf Klassifikationen gesellschaIliche Wertvorstellungen und ihren Wandel thematisieren können.
Empirisch lassen sich vielfältige Phänomene benennen, die aus dieser Perspektive heraus untersucht werden können. Im Vordergrund dieser Session sollen konkrete Bewertungsformate wie Auszeichnungen, Preise, Evaluationen und Rankings stehen, die einerseits schon immer ein zentrales Mittel für die Herstellung von Einzigartigkeit und Besonderheit waren, aber andererseits auch dazu dienen zu definieren, was gesellschaIlich als legitim gilt und was gerade nicht und anhand welcher Kriterien dies beurteilt wird. Solche Bewertungsformate lassen sich in ganz unterschiedlichen sozialen Welten – wie bspw. Architektur, Sport, Kunst, Literatur und Musik bis hin zur Arbeitswelt, der Wirtschaft oder auch der Wissenschaft selbst – beobachten. Preise und Auszeichnungen sind hier oftmals Ergebnisse von Wettbewerben, in denen bereits von der Auswahl der Kandidat:innen bis zur Zusammensetzung der Jury eine Vielzahl an Bewertungskriterien zum Tragen kommen. Evaluationen sind mittlerweile zu einem Standardinstrument avanciert, wenn es um die Verteilung von finanziellen Mitteln geht, wobei die hierfür genutzten Bewertungskriterien bislang vor allem aufgrund der Übersetzungsproblematik von qualitativen Eigenschaften in quantitative Metriken diskutiert werden. Und Rankings erzeugen immer wieder öffentliche Aufmerksamkeit, sind aber gleichzeitig in vielerlei Hinsicht in alltägliche Entscheidungsfindungen involviert, wodurch die dahinterstehenden Bewertungskriterien eine unmittelbare Relevanz für die (Re)Produktion gesellschaIlicher Ordnung gewinnen. Diese Bewertungsformate und die in ihnen aktualisierten Kriterien bieten deshalb einen wichtigen soziologischen Zugriff darauf, welche aktuellen Vorstellungen von „gut“ und „schlecht“ bzw. „wertvoll“ und „wertlos“ dominieren bzw. wie sich gesellschaIlicher Wandel in den Vorstellungen und im Verständnis der jeweiligen Gegenstände vollzieht und welche Konsequenzen daraus folgen.
Im Rahmen der Session wollen wir Bewertungskriterien im Kontext von Bewertungsformaten aus unterschiedlichen Bereichen in den Fokus rücken und ihre aktuelle wie historische Ausgestaltung bzw. ihre Veränderung (oder auch Stabilität) über die Zeit untersuchen: Welche normativen Annahmen werden durch diese Bewertungsformate reproduziert? Wie und warum verändern sich Bewertungskriterien in unterschiedlichen gesellschaIlichen Bereichen? Und welcher Wandel von gesellschaIlichen Wertvorstellungen geht dem voraus oder wird dadurch überhaupt erst hervorgerufen? Ziel ist es, eine Diskussion über Klassifikationen des Wertvollen und Wertlosen als gesellschaIsanalytische Perspektive anzuregen.
Wir freuen uns über empirische wie konzeptionelle Beiträge, die anhand von Bewertungsformaten und den ihnen eigenen Kriterien eine gesellschaIsanalytische Perspektive anstreben.
Abstracts im Umfang von max. 3.000 Zeichen richten Sie bitte bis zum 15.03.2024 an:
– Oliver Berli (oliver.berli@ph-ludwigsburg.de) und
– Anne K. Krüger (anne.krueger@weizenbaum-institut.de)
Die Rückmeldung über die Auswahl/Annahme der Beiträge erfolgt bis zum April 2024.
Den vollständigen Call als mit allen Literaturangaben finden Sie hier.