Das 4. Mainzer Symposium der Sozial- und Kulturwissenschaften am Forschungsschwerpunkt SoCuM (Research Center of Social and Cultural Studies Mainz), “Jenseits des Menschen? Posthumane Perspektiven auf Natur/Kultur” (19.-20. September 2019, Johannes Gutenberg-Universität Mainz) ruft zur Einreichung von Beiträgen auf:
In den letzten Jahrzehnten lassen sich zunehmend Ansätze und Positionen in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften beobachten, welche die Fokussierung auf den Menschen als handelndes Individuum und primär kulturelles Wesen erneut in Frage stellen. In ihren unterschiedlichen Zugängen eint diese Ansätze, dass sie etablierte dualistische Sichtweisen auf Natur/Kultur herausfordern, irritieren und alternative Bezugsrahmen vorschlagen, die sich auch als posthumane Perspektiven bezeichnen lassen. Ihnen geht es je nach Ausrichtung um ein integratives Verständnis von Natur und Kultur, um Fragen der Dezentrierung des Menschen, oder gar um dessen Transformation und Überwindung hin zu Kollektiven und Hybriden bestehend aus menschlichen und nicht menschlichen Entitäten. Erkennbar werden dabei verschiedene analytische Ausrichtungen (z.B. subjekt- vs. objektorientiert; normativ vs. deskriptiv; dystopisch vs. utopisch, etc.), wobei nicht selten aus einer politischen Haltung und einer verstärkten ökologischen Sensibilität heraus argumentiert wird. Der Mensch soll seine hegemoniale Stellung abtreten, indem er sich nicht (weiter) als der ‚Natur‘ übergeordnetes kulturelles Wesen begreift, sondern sich in Bezug zu anderen Entitäten setzt, sich mit diesen verbindet, sich in sie einbettet – oder sich ihnen gar unterzuordnen hat. Dies rückt die Frage nach einem Jenseits des Menschen ins Zentrum – sei es, dass der Mensch nur noch als eine Entität unter vielen betrachtet wird (im Sinne eines Daneben, eines UnterAnderem oder eines Mit-Seins), oder dass das Zeitalter der Menschen als vergänglich erscheint (wie im Diskurs um das Anthropozän). In dieser Weise lässt sich gleichsam eine posthumane Wende identifizieren – etwa mit Blick auf neue Konzepte von Biosozialität, Transformationen zu bio-technologisierten Gesellschaften, Szenarien eines neuen Klimaregimes oder den verstärkten Einbezug machtvoller Materialität.
Die Tagung möchte Wissenschaftler*innen verschiedener Fachrichtungen mit ihren unterschiedlichen Zugängen zu posthumanen Perspektiven auf Natur/Kultur ein breites Forum zur Diskussion bieten. Die interdisziplinäre Diskussion soll zu einer Sondierung des Feldes sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschungen zu posthumanen Perspektiven beitragen. Folgende Fragen sollen dabei im Mittelpunkt stehen: Wie transformieren posthumane Perspektiven sozial- und kulturwissenschaftliche Verständnisse von Natur/Kultur? Welche alternativen Konzepte jenseits von Natur/Kultur werden erkennbar? Welche Positionen weisen die jeweiligen Perspektiven den Menschen zu? Welcher Metaphorik, welchen Zuschreibungen und Deutungen, Figurationen und Konzeptionen bedienen sich posthumane respektive posthumanistische Argumentationen? Welche Potentiale und Grenzen deuten sich in theoretischer, empirischer und analytischer Hinsicht an? Lässt sich diese gleichsam als posthumane Wende identifizierbare fächerübergreifende Entwicklung als Antwort auf bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen und zeitdiagnostische Fragen auslegen? Welche historischen/philosophischen Vorbilder lassen sich in posthumanistischen und/oder postanthropozentrischen Argumentationen identifizieren? Welche Rolle spielen ökologische Forderungen und Fragen der Verantwortung? Wie ist mit dem politischen und normativen Impetus verschiedener Ansätze umzugehen? Welche Kooperationen zwischen wissenschaftlichen und künstlerischen Zugängen eröffnen sich?
Keynote-Speaker der Tagung sind Prof. Matthias Groß (Department of Urban and Environmental Sociology, Helmholtz Centre for Environmental Research – UFZ) und im Rahmen der Georg Forster Lecture 2019 Prof. Timothy Ingold (University of Aberdeen).
Die Frist für Einreichungen ist der 28.02.2019. Weitere Informationen finden sich im vollständigen Call.