Interdisziplinäre Konferenz am 18. und 19. Nov. 2021
Call for Papers
Die digitale Transformation von Gesellschaften weltweit hat in den letzten Jahren nicht nur weiter an Dynamik gewonnen, sondern auch immer deutlicher spürbar globale Wirkungs- und Problemzusammenhänge ausgebildet. Heute sind es vor allem allgegenwärtige Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI), die im Zentrum des wissenschaftlichen, politischen, ökonomischen, normativen und regulatorischen Interesses stehen. Von besonderer Bedeutung sind hier algorithmische Datenauswertungen zur gesellschaftlichen Steuerung, die eine Bedeutung für die politische Entscheidungsfindung und die Strukturierung öffentlicher Kommunikation haben und so die Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger mitgestalten.
Während Unternehmen und Politik hohe Erwartungen an die Möglichkeiten der ökonomischen Verwertung und administrativen Nutzung von KI-Systemen haben, ist es auf der nationalstaatlichen Regulierungsebene nach wie vor schwer, die damit einhergehenden Herausforderungen in den Griff zu bekommen. Unter dem Eindruck einer „überwachungskapitalistischen“ Implementierung von KI-Systemen einerseits und „überwachungsstaatlichen“ Systemen andererseits steht Privatheit als Grundwert der demokratischen Gesellschaft einmal mehr vor einer Bewährungsprobe.
Die neuen Formen der Datafizierung ändern nicht nur die zum Schutz von Privatheit erforderlichen Konzepte, sondern stellen auch das Verständnis und den Stellenwert von Privatheit selbst in Frage. Bislang wurde der Wert des Privaten meist so begründet, dass Privatheit den Einzelnen vor illegitimen Beobachtungen und Fremdbestimmung schützen soll und dadurch eine Grundlage für individuelle Autonomie, Selbstverwirklichung sowie freie Meinungs- und Willensbildung darstellt. Negative Einflüsse werden aktuell insbesondere an überwachend oder „manipulativ“ wirkenden Technologien festgemacht. Verwiesen sei an dieser Stelle auf Schlagworte wie „Gesichtserkennung“, „intelligente Videoüberwachung“, „Big Nudging“, „Micro Targeting“, “Predictive Policing”, etc. Insbesondere die anlasslose Massenüberwachung stützt sich auf Verfahren der künstlichen Intelligenz und ist ihrerseits mit demokratiegefährdenden Tendenzen verbunden.
Auch die Anwendung computergenerierter probabilistischer Einschätzungen und Prognosen auf Gruppen und einzelne Personen, in der Literatur oft als algorithmic decision making (ADM) bezeichnet, kann als Privatheitsproblem verstanden werden. Brisanz erhält dieses dadurch, dass die zugrundeliegenden Verfahren mitunter jenseits etablierter Schutzkonzepte operieren, weil statistische Verfahren ggf. nicht mit „personenbezogener Daten“ im engeren Sinne arbeiten. Künstliche Intelligenz ermöglicht demnach nicht nur algorithmengestützte Entscheidungen, die zur Steuerung und Organisation sozialer Systeme verwendet werden, sondern auch die Extraktion „emergenter“, privater Informationen aus „unverdächtigen“ Datensätzen. In diesem Zusammenhang werden etwa aus Surfgewohnheiten einzelner Individuen auf probabilistische Weise private Informationen gewonnen, welche in der Folge dann zur Anpassung von personalisierter Werbung oder Newsfeeds eingesetzt werden können. Zudem wird KI auch zur Entwicklung von Bots genutzt, damit diese computergenerierten virtuellen Gesprächspartner möglichst menschenähnlich auftreten. Während dies im Falle der Beantwortung einfacher Kundenfragen noch sinnvoll erscheint, ermöglicht dieselbe Technologie auch die großflächige Meinungsmanipulation mittels des Einsatzes von Bot-Armeen.
Mehr Informationen finden Sie hier. Die Abgabefrist ist der 30.06.2021.