Versuche, Wissen über die Zukunft zu generieren und für Praktiken und Entscheidungen in der Gegenwart nutzbar zu machen gibt es schon lange – die Zukunft war immer ein wichtiger Bezugspunkt für menschliches Handeln. Moderne Gesellschaften zeichnen sich jedoch durch eine besonders enge Beziehung zur Zukunft aus und nutzen zahlreiche Möglichkeiten der (wissenschaftlichen) Vorauswissensproduktion. Mit den jüngsten Fortschritten in den predictive analytics, d. h. den algorithmisch vermittelten Prozessen der Analyse großer Datenbestände, um Vorhersagen zu generieren, gewinnen Ansätze der Zukunftsvorhersage abermals stärker an Bedeutung.
So überrascht es wenig, dass prädiktive Verfahren bereits einen bedeutenden Einfluss in der Gegenwartsgesellschaft ausüben: Sie sind ein entscheidender Faktor, wenn es um Entscheidungsfindungen, Bewertungsprozesse oder Klassifizierungspraktiken in ebenso zahlreichen wie unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen geht. Seien es beispielsweise recommender-Systeme im Online-Handel bzw. auf digitalen Plattformen, Prognosesoftwares in der Polizeiarbeit, Vorhersagen zu klimatischen Veränderungen, Praktiken des predictive nursing oder der Wirtschaftsprognostik: überall werden algorithmisch mediatisierte Verfahren genutzt, um große Datenmengen nach korrelativen Mustern zu analysieren, die zukünftige Ereignisse und Dynamiken vorherzusagen und mithin futurbezogene actionability zu versprechen. Obwohl alle der gegenwärtigen Vorhersagemethoden den altbekannten Ansatz teilen, prognostisches Wissen über Musterkennung und Regelmäßigkeitsdetektion in historischen Daten zu kreieren, um aus diesen Erfahrungen zukünftige Entwicklungen zu extrapolieren, signalisieren wachsende Rechenleistungen und die zunehmende Verfeinerung der Prädiktionsmodelle durch machine learning eine epistemische Verschiebung in den Vorhersagepraktiken. Obwohl diese Techniken freilich immer noch auf die Vergangenheit zurückgreifen, versprechen sie, genuin neue Verbindungen in algorithmisch analysierten (vergangenheitsbezogenen) Daten zu finden, die auf korrelativ-assoziativen Logiken beruhen und sich mithin von konventionellen probabilistischen Techniken der prädiktiven Wissensproduktion unterscheiden.
In diesem Workshop sollen ebendiese epistemischen, algorithmisch induzierten Effekte von predictive analytics diskutiert und dabei insbesondere alte und neue Prädiktionspraktiken nebeneinander und gegenüber gestellt werden. Gleichzeitig wollen wir fragen, wie Menschen und Algorithmen im Rahmen von predictive analytics zusammenspielen und wie dies theoretisch wie methodisch analysiert werden kann.
Der Workshop richtet sich an Forscher*innen aus sozialwissenschaftlichen Disziplinen, die in den beschriebenen Konstellationen tätig sind oder werden wollen, und aus diesen vor allem an Doktorand*innen und Post-Docs.
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