Die Übersicht über das Programm finden Sie/ findet Ihr im Anhang und hier:
https://www.rmz.hu-berlin.de/de/termine/rmz-jour-fixe
Den Auftakt macht in diesem Semester Julia Baumann (Freie Universität Berlin).
Cultures of no-feeling? Ethnografische Gefühlswelten im deutschen akademischen Arbeitsalltag
“Die akademische Kultur ist eine Kultur, in der Gefühle abwesend sind – eine Kultur des ‘Nicht-Gefühls’. […], aber Gefühle sind in der Wissenschaft reichlich vorhanden” (Bloch, 2012: 140, übersetzt aus dem Englischen von JB), schließt Charlotte Bloch ihre ethnografische Studie Passion and Paranoia zu akademischen Emotionskulturen in Dänemark.
Auf der Grundlage meiner ethnographischen Feldforschung (2019-2022) werde ich darlegen, wie eben diese „academic cultures of no-feeling” den Alltag von Forscher*innen beeinflussen und die Wissensproduktion auch hier in Deutschland prägen. Historisch gewachsen zu einem emotionsgebundenen Wertesystem, das Gefühle als das Gegenteil von Rationalität und Wissenschaftlichkeit versteht, wird die Fähigkeit Gefühle zu regulieren oder sogar gänzlich zu unterdrücken zu einer Form von Kapital (Bourdieu 1986). Innerhalb dieser akademischen Emotionsregime ist es Kennzeichen der academic cultures of no-feeling Emotionen als nicht-existent anzunehmen. Trotzdem prägen sie das durch diese Kulturen manövrierende Individuum und die Wissensproduktion in hohem Maße.
Im Jour fixe werde ich diese vermeintliche Diskrepanz, mein Promotionsprojekt, die Methoden der Datenerhebung, meine eigene Rolle im Feld und die Ergebnisse und Analysen vorstellen, reflektieren und diskutieren. Anhand meines empirischen Materials (Grounded Theory) werde ich individuelle Gefühlswelten und Umgänge mit dem „Nicht-Gefühl” darstellen und darlegen, welche Emotionen und Affekte den akademischen Arbeitsalltag meiner Gesprächspartner*innen prägten und inwiefern Fühlen und affektive (Re)Aktionen als systemisch eingebettet betrachtet werden können. Anhand Mut, Angst, Verzweiflung, Wut und Liebe stelle ich dar, wie eine Gefühlsunterdrückung zwar als Basis akademischer Professionalität verstanden wird, Ethnograf*innen aber hierdurch ebenso in einer affective community miteinander verbinden sind; ich zeige gleichermaßen den Umgang akademischer Institutionen mit Emotionen in Bezug auf mentale Belastungen auf; erläutere wie Diskriminierungserfahrung und Machtmissbrauch zu einer stetigen moral injury sowie (emotionalen) Widerständigkeiten führen können und führe aus, wie agencies, Identitäten und belongings innerhalb dieser akademischen Emotionsregime ausgehandelt werden.
Reference: Bloch, C. (2012). Passion and Paranoia. Emotions and the Culture of Emotion in Academia, New York/London: Routledge.
Die Veranstaltung findet am Robert K. Merton Zentrum für Wissenschaftsforschung (Seminarraum 4.35, Schönhauser Allee 10-11) und per zoom statt.
https://hu-berlin.zoom-x.de/j/66137712462?pwd=bTF4VG9Ca1BxMkFqOE9xTFZxYldWQT09
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